AUF HERBSTLICHEN PFADEN DURCH FRANKREICH RADELN: ÜBER DIE VéLOSCéNIE VON PARIS ZUM MONT SAINT-MICHEL

Reise-Reportage

Auf herbstlichen Pfaden durch Frankreich radeln: Über die Véloscénie von Paris zum Mont Saint-Michel

Auf 450 Kilometern führt der Radweg Véloscénie von Paris zur Bucht des Mont Saint-Michel an den Küsten von Normandie und Bretagne. 

Paris – Der Herbst in Frankreich hat viele Stimmungen: nebelverhangene noch grüne Hänge, bunt blühende Gärten, Sonnenuntergänge am Horizont, sich langsam herbstlich färbende Wälder, in denen mit Glück in der Ferne das Röhren von Hirschen zu hören ist. Und nach der Radtour, eine gute Woche quer durchs Land, bleibt vor allem die Geräuschkulisse in Erinnerung. Plätschernde Flussläufe und Wasserfälle, das Knacken von Holz im wohlig warmen Kamin im gemütlichen Bed and Breakfast, das Rauschen der Brandung, wenn man schließlich am Ziel der Reise angekommen ist – der Küste der Normandie.  

Durch eine ähnliche Vielfalt französischer Landschaften führen sicher einige Wege – schließlich sind gerade im vergangenen Jahrzehnt, seit sich der Verein France Vélotourisme der Entwicklung des Fahrradtourismus in Frankreich angenommen hat, etliche Routen und mehrere Tausend Kilometer ausgewiesener Wege hinzugekommen. Touren immer an der Küste entlang, die dicht begrünten Voies Vertes, die immer parallel zu Hauptverkehrsstraßen nur mit dem Rad oder zu Fuß passiert werden können, ehemalige Bahntrassen, die zurückgebaut wurden, um nun ohne große Steigungen zum Genussradeln genutzt zu werden.

Diese Vielfalt und alles, was man vom Radtourismus im Land der Tour de France erwartet, macht auch die Route der Véloscénie aus, die auf den ersten Blick vor allem Start und Ziel zu etwas Besonderem machen. In 450 Kilometern von Paris bis zum legendären Klosterberg Mont Saint-Michel. 

Städtetrip zu Beginn einer Radtour durch Frankreich: Die Véloscénie beginnt in Paris

Dabei beginnt der Weg so leise und unscheinbar, wie es in einer 2,1-Millionen-Einwohner-Metropole, der neuntgrößten Stadt Europas, die jährlich rund das Fünfzehnfache an Besuchern anlockt, möglich ist. Ganz unauffällig, auf dem breiten Radweg direkt vor dem prachtvollen Palais de Justice auf der Île-de-la-Cité. Nur wenige Schritte zu Fuß von hier liegt die Baustelle der 2019 bei einem schweren Brand heftig beschädigten Kathedrale Notre Dame de Paris. Wer dem Weg ans andere Ufer der Seine ins quirlige Szeneviertel Saint-Germain-des-Prés folgt, sieht sich analog zum Ziel der Véloscénie am Mont Saint-Michel einem Brunnen gegenüber, der am Place Saint-Michel dem Erzengel Michael gewidmet ist. 

Und steht damit auch direkt vor dem ersten Problem des für rund zehn Tage empfohlenen Trips quer durch Frankreich: Paris wieder zu verlassen. Denn zwischen Eiffelturm, Louvre und französischem Lebensgefühl, etlichen winzigen Programmkinos, Street Art, Eckbistros und duftenden Verkaufsständen für internationale Küche gibt es genügend Gründe, das Abenteuer schon von Beginn an langsam angehen zu lassen. Sofern Zeit und Reisegepäck es denn zulassen. 

Von Paris zum Mont Saint-Michel: Die Véloscénie führt auf 450 Kilometern durch Frankreich

Schließlich ist die Véloscénie ein Fernradweg, bei dem, wer vorankommen will, keine zwei Nächte in derselben Unterkunft bleibt und das Gepäck im Normalfall immer auf dem Fahrrad mittransportiert. Erst in südwestlicher Richtung raus aus dem Gewusel der Stadt, über die Vororte der Metropolregion Île-de-France, nach wenigen Tagesetappen in die Region Centre-Val de Loire in Richtung der Domstadt Chartres und von hier einmal quer durch die Normandie, wo die Region an der Küste auf die bretonische Halbinsel trifft. Den Weg säumen Kuh- und Schafweiden, Sonnenblumenfelder, historische Ortschaften mit Schlössern und steinernen Rathäusern, Wälder, Flüsse und Salzwiesen. Neben digitalem Kartenmaterial weisen – sobald man die Stadt erstmal verlassen hat – auch auffällige Wegweiser mit dem blau-goldenen Logo der Radroute den Weg.

Dass die im Vergleich zu anderen Routen ausgesprochen flexibel und individuell planbar ist, liegt an den relativ kurzen Tagesetappen, die auf der Website des Radportals France Vélotourisme zwischen zehn und 30 Kilometer lang sind und häufig durch Ortschaften mit fahrradfreundlichen Herbergen, Hotels oder Sehenswürdigkeiten führen. Auch für eine Boulangerie für Proviant oder ein Café oder Restaurant für die Mittagspause fährt man eher selten Umwege. Zu den größeren Städten unterwegs zählen die 38.000-Einwohner-Stadt Chartres und der 25.000 Einwohner zählende Verwaltungssitz des normannischen Départements Orne, Alençon. Deutlich größer als es in Wirklichkeit ist, wirkt auf einer der letzten Etappen vorm Erreichen des berühmten Klosterbergs das Kurstädtchen Bagnoles-de-l’Orne (2.500 Einwohner).

Mit dem Rad durch Frankreich: Unterschiedlichste Unterkünfte entlang der Véloscénie

So unterschiedlich wie die Etappen sind unterwegs auf der Véloscénie auch die Unterkünfte, die man mit dem Rad ansteuern kann. Vom pompösen Hotel Grand Monarque in Chartres, von wo aus man in wenigen Schritten die berühmte Kathedrale erreicht, bis zu den inhabergeführten B&Bs von Julie Vincent und Jacqueline Crouch. Die Hobby-Künstlerin Vincent hat sich mit der Domaine des Pousses in Droue-sur-Drouette, 70 Kilometer südwestlich von Paris, erst vor wenigen Jahren einen lang gehegten Lebenstraum erfüllt und bewohnt gemeinsam mit ihrer Familie ein gemütliches Landhaus, in dem die Räder im Schuppen neben dem Hühnergehege abgestellt werden und verschiedene Gästezimmer über mehrere kleine Gebäude verteilt sind. 

Die Engländerin Crouch und ihr Partner betreiben seit fast 20 Jahren das B&B Numéro Cinq im bildhübschen normannischen Städtchen Domfront en Poiraie, dessen Rückseite direkt am Steilhang des Altstadthügels liegt. Nach vorne haben Gäste des Hauses einen unverbauten Blick auf die Weite der grünen normannischen Landschaft und gerade im Herbst die Chance darauf, einen fantastischen Sonnenuntergang zu beobachten. Die Zimmer prägen dunkle Holzbalken und Blumenkästen vor den Fenstern. 

Versteckte Perlen auf der Véloscénie: Kleine und große Städte in Frankreich per Rad erkunden 

Was alle drei Unterkünfte gemeinsam haben, ist ihre Nähe zu drei Orten, die mit zu den besten Gründen gehören, ausgerechnet die Véloscénie als französische Langstrecken-Radtour anzugehen. Denn die verbindet nicht nur die zwei meistbesuchten Touristenattraktionen Frankreichs miteinander, sondern versteckt unterwegs vor allem viele Orte, auf die man sonst eben nicht so ohne Weiteres kommt. Da ist die lebendige Stadt Chartres, deren Zentrum fast das ganze Jahr über Schauplatz einer beeindrucken Lichtshow namens Chartres en Lumières ist und von Droue-sur-Drouette aus erreicht man in knapp einer Stunde das Städtchen Maintenon, wo im Garten des herrschaftlichen Wasserschlosses die Bauruine eines nie vollendeten Aquädukts steht. Mit dem wollte Ludwig XIV. Ende des 17. Jahrhunderts das Wasser des Flusses Eure Richtung Versailles leiten.

Domfront derweil, mit seinen vielen Stein- und Fachwerkhäusern, einem lebendigen Marktplatz und der auffälligen Burgruine, ist trotz seiner nur knapp 3.500 Einwohner eine der prägendsten Städte im Département Orne. Den Beinamen „en Poiraie” trägt das Mittelalter-Städtchen aufgrund der Umgebung, die von Streuobstwiesen und vor allem Birnbäumen geprägt ist. Statt in der restlichen Normandie, wo Apfelhöfe, Cidre- und Calvados-Produktionen über die touristische Landkarte getupft sind, ist hier das Zentrum des regionaltypischen Birnenschaumweins Poiré. Nur wenige Kilometer, nachdem man die Stadt bergab rollend verlassen hat, erreicht man über eine ruhige Nebenroute der Véloscénie das Musée du Poiré, das Unmengen regionaler Geschichten erzählt.

Langstrecken-Radweg in Frankreich: Das Ziel der Véloscénie am Mont Saint-Michel

Was Abstecher wie diesen abseits der Strecke noch einfacher gestaltet als die örtliche Nähe zur ausgeschilderten Route der Véloscénie, sind auch Möglichkeiten, die Radroute mit Leihrad Gepäcktransfer zu buchen, was den Langstreckenweg gerade für jene spannend macht, die noch nie mehrere Tage am Stück mit dem Rad unterwegs waren. So muss man zwar dennoch jeden Tag seine Sachen packen, nimmt in den Packtaschen und Tagesrucksäcken jedoch immer nur das Wichtigste mit, während das Gepäck am Abend in der nächsten Unterkunft wartet.

Bei Radreise-Veranstaltern wie dem neben französisch- auch deutschsprachigen Anbieter France à Velo kostet die unbegleitete Zehntagestour von Paris zum Mont Saint-Michel inklusive Übernachtungen, Frühstück und Abendessen ab 988 Euro pro Person. Pausentage sind aufgrund der größtenteils flachen, einfach fahrbaren Strecken zwar nicht unbedingt nötig. Versuchungen, unterwegs einfach ein paar Tage hängenzubleiben, gibt es aber trotzdem genug.

Auch wenn die Anziehungskraft des Mont Saint-Michel – bei aller Erwartung von Touristenmassen, die man seit Versailles nicht mehr gesehen hat – nicht zu unterschätzen ist. Schließlich ist der Klosterberg nicht von ungefähr die am zweitmeisten besuchte französische Besucherattraktion nach dem Eiffelturm. Die offiziell letzten Kilometer der Véloscénie legt man vom Festland auf dem Damm einer Landbrücke rüber zur Gezeiteninsel zurück, die aus der Ferne so klein und beschaulich wirkte und sich letztlich doch als Ort herausstellt, wo man sich mehrere Stunden auf Spazier- und Erkundungstour zwischen historischen Mauern, traumhaften Ausblicken und Souvenirläden machen kann. Und von hier auf ein Abenteuer zurückblicken, das einfach nur Seinesgleichen sucht. (Sandra Kathe)

Die Pressereise wurde unterstützt von La Véloscénie und France à Vélo.

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